Jesus

Jesus 300pxDas Leben und Wirken des Messias als Weltgeschichte. Von der Steinzeit bis ins digitale Zeitalter.“ Was der Verlag so mächtig ankündigt, ist wahrlich ein Mammutprojekt. 1000 Seiten umfasst das Buch von Markus Spieker, ein gewichtiger Wälzer, dem man sich fast demütig nähert. Die Sehnsucht, die auf Jesus zielt, habe ihn getrieben, schreibt der erfahrene Journalist und promovierte Historiker Spieker im Vorwort. Und merkt an, dass das Buch dann in seiner Entstehung immer weitergewachsen sei. Tatsächlich hat mich die enzyklopädische Fülle dieses Werks, die exorbitante Ansammlung von recherchierten Fakten, der ausladende Blickwinkel auf „die Weltgeschichte“ beim Lesen zunehmend ermüdet. Dieser Ritt durch die Jahrhunderte der Weltgeschichte, bei dem alle Aspekte, die am Wegesrand auftauchen, aufgegriffen und kurz oder lang exemplifiziert werden, hat mich irgendwann in der Tat abgeworfen. Dabei ist Spiekers Stil exzellent, er schreibt nicht für ein Fachpublikum, sondern weiß, wie ein Text lebendig gestaltet wird. Er kann biblische Geschichten so nacherzählen, dass ich sie in einem neuen Licht sehe. Er stellt historische Kontexte her, die das Schriftverständnis fördern. Vor der gigantischen Recherche-Leistung kann man sich nur verbeugen. Und dass Markus Spieker als überzeugter Christ schreibt, macht mir den Zugang zu seinem Buch leicht.

Und trotzdem kommt mir Jesus in dem Buch nicht nahe. Weil Spieker ihn als strategischen Planer zeichnet, der „einen Aufbruch anstoßen und eine Bewegung initiieren will, die lokal beginnt und global endet“. Deshalb habe sich Jesus intensiv dem „Teambuilding“ gewidmet. Ich stutze, wenn es da heißt, Jesus habe nie behauptet, er sei der Sohn Gottes. Es stört mich, dass Spieker zwar immer wieder von der Gnade, vom Geschenk des Glaubens spricht, aber ebenso häufig die eigene Glaubensentscheidung, die Lebensführung, das „Tun“ als wesentlich(er) für den Eintritt in den Himmel darstellt. Dabei gerät sein Stil gelegentlich ins floskelhafte Predigen. Wenn es um die Abendmahlslehre, um Taufe oder Rechtfertigung des Sünders durch Jesu Tod geht, werden die Widersprüche in Spiekers Schriftverständnis immer deutlicher. Besonders aber im dritten großen Teil, wo es um Kirchengeschichte geht, wird es richtig holprig. Dass er sich mit Luther nicht lange abgemüht hat, ist offensichtlich. Luther, so Spieker, sei ein „Rebell, Prediger, Lehrer“ gewesen, „aber kein systematischer Theologe“. Da war Calvin – für Spieker – schon „grundsätzlicher und im Ergebnis revolutionärer“. Man kann bei der Lektüre ganz gewiss sehr viel lernen. Gute, gesunde Theologie eher nicht.

Rezension von Doris Michel-Schmidt

Markus Spieker:
Jesus. Eine Weltgeschichte
Fontis-Verlag 2020, 1001 Seiten, 30,– Euro

Wir benutzen Cookies

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.